1. | Wer hat Angst vor Psychotherapie?
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Mit das Spannendste für die Patient:innen am Anfang der 5-wöchigen Reha ist wohl: Wer ist meine Psychotherapeutin oder mein Psychotherapeut? Und ich frage mich, welche Persönlichkeit betritt meinen Raum, wenn ich 12 Patient:innen zuerst im psychotherapeutischen Aufnahmegespräch aufnehme. Gelingt es mir da schon, einen guten Kontakt zu finden, so dass sie Vertrauen entwickeln können, sich auf den tiefen Prozess ehrlich einzulassen? Stimmt die Chemie?
Genauso aufregend ist die Begegnung untereinander in meiner Bezugsgruppe (BG) ein paar Tage später, wo sie sich das erste Mal als Gruppenmitglieder kennenlernen.
Leider mussten wir in Corona-Zeiten die Gruppe in 2 x 6 Patient:innen teilen, die jeweils dann nur eine Dreiviertel Stunde dauert. Außerdem müssen ja leider Masken getragen werden. Das ist natürlich für den psychotherapeutischen Prozess sehr hinderlich, da, wie der Neurobiologe Gerald Hüther ausführt, die Zentren im Gehirn, die für Mitgefühl und Interesse am anderen stehen, dann nicht mehr so aktiviert sind.
Um die Atmosphäre zu lockern erzähle ich erstmal etwas über den intensiven und auch lustigen Prozess, der auf sie zukommt, was für eine Chance die Gruppentherapie ist und versuche dabei schon mal ihre Vorbehalte und Ängste auszusprechen, damit sie sich abgeholt und etwas entspannter fühlen können.
Ich sage, dass wir immer zurückblicken werden auf die Herkunftsfamilie, um die vorhandenen Probleme und Symptome zu verstehen und dass ich normalerweise eine Familienaufstellung machen würde, aber in Corona-Zeiten leider nicht, da wir uns nicht berühren dürfen. Aber ich tröste sie und erwähne die Möglichkeit einer Aufstellung auf dem Tablett mit playmobil-Figuren im Einzelgespräch (EG).
… dass wir über Auflösung von Glaubenssätzen, Projektionen und über Konflikt- und Kommunikationsfähigkeiten und über die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg sprechen werden. Nach der amerikanischen Familientherapeutin Virginia Satir sei die Hauptstörung der Kommunikation: Anklagen und Be- bzw. Abwerten.
… und auf eine Reise zur „Inneren Weisheit“ – nach Simonton – gehen werden, der geniale Formulierungen gefunden hat, um uns mit unserer Essenz bzw. einer Gestalt für die Innere Weisheit zu verbinden und endlich die Fragen stellen, die wir auf dem Herzen haben, auf Antworten lauschen und uns zu einem Handeln vor uns selbst verpflichten können.
Leider kann ich diese Reise nicht mit Euch machen, da der Verlag nicht zugestimmt hat. Aber ich erzähle darüber und ihr bekommt einen guten Eindruck, um es für euch selbst ausprobieren!
… dass ich für den Anfang jeder BG-Sitzung ein paar leichte Übungen aus dem Yoga und eine Minute Meditation vorschlagen würde. Ich sei auch Yogalehrerin an der VHS in Berlin-Charlottenburg und ein Ziel sei es, bewusste Achtsamkeit in Körper, Atem, Seele und Geist zu bringen, um mehr bei sich selbst und dem universellen, unkonditionierten, wir können auch sagen: göttlichen Bewusstsein anzukommen. Das beschreibt Eckart Tolle so gelungen in seinen Vorträgen und in seinen Büchern.
Oft springt der Funke schon über und in der anschließenden Vorstellungsrunde, die sich schon mal über mehrere Sitzungen hinziehen kann, wagen die Patient:innen meistens schon offen und ehrlich zu sprechen und sich die Zeit und den Raum zu nehmen, den sie brauchen, um wichtige Teile ihrer Geschichte zu erzählen. Das ist unser „Storytelling“ und kann schon eine reinigende und kathartische Wirkung haben und das Vertrauen in die Gruppe aufbauen.
Literatur:
Simonton, O. Carl, Wieder gesund werden: Eine Anleitung zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte für Krebspatienten und ihre Angehörigen, rororo, 2001
Rosenberg, Marshall B., Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, Junfermann Verlag, 2016
Satir, Virginia, Kommunikation. Selbstwert. Kongruenz: Konzepte und Perspektiven familientherapeutischer Praxis, Junfermann, 2004
Eckhart Tolle, Eine neue Erde – Bewusstseinssprung anstelle von Selbstzerstörung, arkana, 2005